Mein Mann und ich wir lieben uns – aber Sex haben wir nur noch selten – was tun?

In Sachen Liebe – Kolumne Kölner Stadt-Anzeiger, 01.03.2024

https://www.ksta.de/ratgeber/gesundheit/sexualberatung-koeln-was-genau-macht-eigentlich-eine-sexualberaterin-748465

Mein Mann und ich sind schon seit vielen Jahren zusammen und wir verstehen uns gut, sind liebevoll im miteinander und im guten Austausch. Einzig das Thema Sex ist bei uns ausgeklammert. Er findet nur selten statt, darüber reden wir aber nicht. Könnten ein paar Sitzungen bei einer Sexualtherapeutin helfen, damit das nicht für immer so bleibt?

Um es direkt zu Beginn voraus zu schicken, „ja, auf jeden Fall! Sexualität ist eine Fähigkeit, eine Kompetenz, die lernbar ist und das finde ich beruhigend“.

Die o.g. Frage betrifft nach meinen Erfahrungen, als Sexualberaterin, im Verlauf einer längeren Beziehung viele Paare.

Oft beginnen wir eine Beziehung mit verliebten Gefühlen, intensiven sinnlich, erotischen Erfahrungen – aber im weiteren Verlauf muss sie sich dem Alltag und seinen Herausforderungen stellen. Gerade Paare sind neben der Gestaltung der Beziehung durch berufliche Themen, das Zusammenleben mit Kindern und evt. der Verantwortung für hilfsbedürftige Familienmitglieder stark eingebunden und unterschiedlichsten Herausforderungen ausgesetzt. Die Folge ist oft, dass sexuelle Begegnungen in den Hintergrund treten.

Spätestens jetzt wird für den einen oder beide Partner deutlich, dass das sexuelle Miteinander Wünsche offenlässt oder Druck auslöst – oft bzgl. der Häufigkeit oder der Art der Gestaltung.

Neben Erschöpfung, fehlendem Grundwissen um die eigene sexuelle Funktions- und Erregungsfähigkeit  sowie die, des Partners, der Partnerin, mangelndem körperlichen Einfühlungsvermögen und nicht aufgearbeiteten Ereignissen der Vergangenheit, können im Verlauf der verschiedenen Lebensphasen daraus Störungen, wie Erektionsprobleme, frühzeitige Ejakulation, mangelnde Lust oder Schmerzen beim Verkehr entstehen.

Jean-Yves Desjardins, kanadischer Psychologe und klinischer Sexologe entwickelte Sexocorporel, ein Modell der sexuellen Funktionalität. Er hat in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass ein überwiegender Teil der sexuellen Probleme von Männern und Frauen auf mangelndem Basiswissen der menschlichen Erregungsfähigkeit zurückzuführen ist.

Es fällt den meisten Paaren schwer, über sexuelle Bedürfnisse zu sprechen. Neben dem Gefühl von Scham fürchten sie, den Partner, die Partnerin zu verletzten, wissen nicht genau, was sie eigentlich wünschen oder finden nicht die passenden Worte.

In einer Paarberatung hat jeder, jede in einer vertrauensvollen Atmosphäre die Möglichkeit, zu äußern was er/sie vermisst. Ich frage sehr konkret nach den eigenen sexuellen Kompetenzen, den gemeinsamen Gewohnheiten und dem Wunsch nach Veränderung. Das ist für den zuhörenden Partner, die zuhörende Partnerin oft interessant und lehrreich, denn im privaten Miteinander wird in der Regel nicht so offen und detailliert kommuniziert.

Im Anschluss ergänze ich fehlendes Wissen, weise auf bestehende Rollenmuster hin, schlage sog. „Übungen“, sowohl für den Einzelnen, als auch das Paar vor. Dabei geht es darum, zunächst für das eigene sinnliche, sexuelle Erleben sensibler, kreativer, selbstbewusster zu werden um im Umgang mit dem Partner, der Partnerin deutlicher zu spüren, was ich mir wünsche, was ich nicht mag und mich auch äußern zu können.

Für das Paar selbst, ist es hilfreich und heilsam, sich behutsam wieder anzunähern, sich sensibel und zärtlich zu begegnen, bevor Sexualität stattfindet.

Veränderungen des sexuellen Miteinanders betreffen die ganze Persönlichkeit. Es handelt sich um einen Prozess, der bewusst und reflektiert stattfindet. Die Paare erleben berührende Situationen, sind auch mit Irritationen und Fragen konfrontiert, die in den folgenden Beratungen angesprochen werden und die weitere Entwicklung mit gestalten.

Solange das Paar sich liebt, offen ist für Veränderungen, bereit, sich wohlwollend zu begegnen und Kränkungen zu verzeihen, ist die Chance für beglückende Begegnungen sehr groß.

Wir haben heute die Chance, sehr lange als Paar mit einander zu leben. Menschen verändern sich im Laufe der Jahre, der Körper verändert sich und natürlich auch die Art und Weise wie wir Sexualität leben möchten und können. Männer und Frauen habe die Fähigkeit, bis ins hohe Alter Sexualität genießen zu können, wenn sie bereit sind, sich den Gegebenheiten anzupassen, sie anzunehmen und sich, wenn notwendig, Hilfe zu holen.

„Also ja, begleitende Beratung hilft, wenn das Paar bereit für Veränderungen ist. Sexualität ist eine Fähigkeit, eine Kompetenz, die lernbar ist und das finde ich sehr beruhigend“.

 

Gitta Arntzen, Sexualberaterin und Seminarleiter, www.Sexualberatung-und-Seminare.de info@sexualberatung-und-seminare.de

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