Ich spüre kein Verlangen – Antwort

Renate, Menschen, die in ihrer Kindheit nicht liebevoll behandelt worden sind, entwickeln oft die Vorstellung, sie hätten es nicht verdient, mit ihnen stimme etwas nicht. Im Laufe ihres Lebens tun sie dann Vieles, um geliebt zu werden. Aufgrund Ihrer Erfahrungen kann es sein, dass Sie sich beim Sex nicht vertrauensvoll hingeben konnten, sondern negativen Gedanken nachhingen wie: „Ich spüre wieder nichts. Er ist von mir enttäuscht. Ich bin keine richtige Frau. Er wird mich verlassen…“

So baut der Körper Spannung auf, und mit den negativen Gedanken werden Berührungen nicht wirklich sinnlich wahrgenommen. Das wiederum verhindert lustvolle Erregung. DieVagina wird nicht so feucht, dehnt sich nicht ausreichend. Wird der Penis, um dem
Partner gefällig zu sein, trotzdem aufgenommen, reizt das die Harnröhre, die durch die obere Vaginalwand verläuft. Es kommt in ihrer
Schleimhaut zu winzigen Rissen, die sehr schnell von Bakterien besiedelt werden.

Es freut mich, dass Sie inzwischen einen verständnisvollen Ehemann an Ihrer Seite haben und keine Beschwerden mehr erfahren. Das bedeutet für mich auch, dass sie körperlich nicht mehr so unter Spannung stehen und Ihre Vagina im positiven Sinne reagiert.
Wenn Sie sagen, Sie spürten und empfänden nichts, dann erlauben Sie mir Ihnen zu versichern: Das ist bestimmt nicht der Fall! Unser Körper spürt immer und an jeder Stelle etwas. Ich vermute, dass Sie genital nicht die Erregung spüren, die Sie erwarten, obwohl Ihr Körper bereit ist. Es geht daher darum, wohltuende, sinnliche Berührungen zu erleben und auch wahrzunehmen, sie zu genießen.

Konzentrieren Sie sich auf die Berührungen Ihres Partners und nähern Sie sich nicht direkt genital. Wünschen Sie sich zunächst zärtliche Berührungen Ihres ganzen Körpers. Fühlen Sie hin, ob er sie so gestaltet, wie es sich für Sie gut anfühlt und geben Sie ihm Rückmeldung.
Atmen Sie immer wieder einmal tief ein und aus. Dabei sind Seufzer ganz natürlich und müssen nicht unterdrückt werden. Bewegen Sie, wenn Sie den Impuls spüren, das Becken oder nehmen Sie eine andere Position ein. Erlauben Sie sich sexuelle Fantasien. Sie sind eigenständige, kreative Träume, die etwas über uns persönlich aussagen. Sie gehören nur uns selbst, nehmen unserem Partner, unserer Partnerin nichts weg und haben das Potenzial, unsere Erregung deutlich zu steigern.

Bevor Sie Ihrem Partner mitteilen können, was Sie mögen, ist es hilfreich, dass Sie es bei sich selbst ausprobiert haben. Schauen Sie in
den Spiegel, und erforschen Sie die verschiedenen Bereiche Ihrer Vulva und Vagina.
Ich versichere Ihnen, Sexualität ist eine Kompetenz, die jede Frau und jeder Mann erlernen kann. Haben Sie Mut! Geben Sie nicht auf! Und vor allem: Lassen Sie sich Zeit! In der Sexualität spielt Langsamkeit eine große Rolle.

Gitta Arntzen

Experten beantwortet Ihre Fragen im Kölner Stadtanzeiger: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp.
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